#Digitale Zukunftskommune@bw – Digitalisierung? Wieso und für wen?

Über sechs Millionen indirekt erreichte Bürgerinnen und Bürger, mehr als 100 direkt vernetzte Akteure, 59 teilnehmende Kommunen und Landkreise in über 30 Vernetzungsworkshops – das ist die bisherige Bilanz des Landeswettbewerbs »Digitale Zukunftskommune @bw«. Doch wie sah der Start dieses Projekts aus? Was macht die teilnehmenden Kommunen aus? Und was konnte bzw. kann von der Digitalisierung auf kommunaler Ebene erwartet werden und warum?

Um all diese Fragen zu klären, müssen wir über zwei Jahre zurückspringen. Am 21.08.2017 wurde der Wettbewerb »Digitale Zukunftskommune@bw« ausgerufen, knapp sieben Monate später, am 03.05.2018, fand die Preisverleihung mit Innenminister Thomas Strobl statt (Pressemitteilung). Im Informationsblatt finden Sie eine graphische Übersicht mit allen Gewinnerkommunen und –Landkreisen (Teil A) und allen geförderten Kommunen zur Strategieentwicklung (Teil B).

Vertreterinnen und Vertreter aller Kommunen und Landkreise wurden am 27.07.2018 zum Kick-Off-Workshop ins Fraunhofer IAO eingeladen. Im Anschluss daran wurde eine erste Erhebung von der Begleitforschung DZK durchgeführt: sie erfasste den Stand der Digitalisierung in den einzelnen Kommunen und diente damit als Vorlage für spätere Workshops. Damit war die Grundlage für das weitere Vorgehen geschaffen worden.

Was macht nun die Gewinnerkommunen zu Gewinnerkommunen?

Für die Auswahl der Teil A Kommunen wurden von einer Jury, bestehend aus Vertretern des Innen- und Digitalisierungsministeriums, kommunaler Verbände und dem Branchenverband Bitcom, die Modellvorhaben in einem transparenten Bewertungsschema anhand folgender Aspekte gesichtet: der Innovationsgrad, die Zukunftsorientierung, der Durchdringungsgrad in die unterschiedlichen städtischen Bereiche, die Skalierbarkeit auf andere Kommunen, die Attraktivität für Bürgerinnen und Bürger, die Sichtbarkeit, die Einbindung der verschiedenen Akteure und die Selbstständigkeit der Lösungen auf Dauer. Das selbe Bewertungsschema wird ebenfalls für die zweite Phase der Teil B Kommunen herangezogen. Für die erste Phase Teil B wurden die Schlüssigkeit des Konzepts, die Stakeholderintegration, die generelle Kommunikationsstrategie, die Einbindung in die Verwaltungsstruktur, sowie das Verwertungskonzept für die geplante Strategie bewertet.

Wie kann Digitalisierung in Kommunen aber ganz spezifisch aussehen?

Klar ist, Digitalisierung ist in aller Munde, sie hält in allen Lebensbereichen Einzug. Je nach Standpunkt und Einstellung werden Vor- und Nachteile unterschiedlich gegeneinander aufgewogen. Hier prallen beispielsweise verschiedene Lebenswelten aufeinander. Die mit mobilen Endgeräten und Internet Aufgewachsenen haben einen selbstverständlichen Zugang zur Digitalisierung und somit ganz andere Anforderungen an das öffentliche Leben als die vorangegangenen Generationen. Gleichzeitig kommen auch letztere oft mit digitalen Interaktionspunkten, zum Beispiel Geldautomaten oder digitale Anzeigetafeln, in Kontakt. Fest steht, wenn Nutzerinnen und Nutzer die digitalen Werkzeuge einzusetzen wissen, können viele Tätigkeiten unabhängiger und komfortabler gestaltet werden. So lässt sich am Beispiel von digitalen Behördengängen anschaulich illustrieren, wie Digitalisierung das Leben von Bürgerinnen und Bürger einfacher gestalten kann. Heidelberg betreibt dazu eine Plattform, die es ermöglicht, viele Services der Stadt für die Bürgerschaft online anzubieten. Zusätzlich überwachen Sensoren die Sicherheit von Brücken und Straßen, was in weiterer Konsequenz zu weniger Unfällen und einer effizienteren Infrastrukturbewirtschaftung führen kann. Zur Zeit finden laut Beschluss die Inbetriebnahme sowie Praxistests dieser Sensoren statt. Um die Digitalisierung noch weiter in die Gesellschaft hineinzutragen, plant Heidelberg zudem das »Mobile Medien- und Digitallabor« – eine Räumlichkeit zum Mitmachen und Ausprobieren. Heidelberg ist, wie alle weiteren Kommunen, die in diesem Beitrag erwähnt werden, eine der Gewinnerkommunen des Wettbewerbs »Digitale Zukunftskommune@bw«.

Die Stadtverwaltung Karlsruhe diskutiert, dass die Anzahl an verschiedenen Informations- und Bezugskanälen für Lokalangelegenheiten im Internet häufig zu Überforderung führen kann. Daher rührt das Bestreben bestimmte Dienste, die noch dezentral organisiert sind, in einer App zu zentralisieren. Mit dem Projekt digital@KA und der Multifunktions-App wird genau das angestrebt. Geplanter Go Live ist im Frühjahr 2021.

Wenn im seltenen Fall das Rathaus dann doch besucht wird, kann man bereits die realisierte Vision von Ludwigsburg antreffen. Für ein digitales Rathaus wurde ein Prototyp eines Informations- und Orientierungs-Roboters, der L2B2, umgesetzt, der die Besucher freundlich begrüßt und zum Ziel begleitet. Schauen Sie sich gerne dieses Video dazu an. Eine weitere Voraussetzung stellt eine Smart City Cloud als ganzheitliche Daten-Plattform dar, welche es ermöglichen soll, jedem Bürger ein datensicheres Bürgerkonto bereitzustellen. Damit kann dann unter anderem auf alle Dienstleistungen zugegriffen werden. Die Cloud wurde für Ende 2019 angekündigt. Das Jahr 2020 ist noch jung – wir sind gespannt auf neue Infos aus Ludwigsburg.

Eine weitere Idee kommt aus Ulm: Standortnachteile von Wohnquartieren sollen durch digitale Angebote ausgeglichen werden. Ulm hat dazu über Mitmachangebote Ende 2019 vom Gemeinderat 12 Ideen beschlossen, welche nun schrittweise realisiert werden. Diese zeichnen sich durch die starke Quartiersspezifität aus. Eine Übersicht finden Sie hier.

Außerdem haben sich die 5 Landkreisverbunde jeweils einem spezifischen Themenbereich angenommen und sammeln darin digitale Lösungen, die auf lange Sicht von den anderen adaptiert werden können. So sollten in Karlsruhe interaktive Lerntische in Schulen die individuelle Lernerfahrung verbessern. Biberach führt die E-Akte im Sozialamt für einen einfacheren Sozialhilfeantrag ein. In Böblingen wird das Themenfeld integrierte Mobilität bearbeitet. Konstanz kümmert sich um ein digitales Kfz-Zulassungsverfahren, wobei hier lediglich die Abmeldung online verfügbar ist, und Tuttlingen möchte über telemedizinische Services das ländliche Angebot an Sprechstunden sicherstellen.

Mit diesen Beispielen im Hinterkopf und dem Wissen, dass aus der Erhebung hervorging, starteten die nächsten Workshops am 01.02.2019 unter Leitung des Fraunhofer IAO. Sie hatten ein besonderes Format: Peer-to-Peer-Gruppen zur Vernetzung. Die Aufteilung in die jeweiligen Gruppen erfolgte dabei nach räumlichen oder handlungsorientierten Faktoren. Nach dem Abschluss aller Vor-Ort-Besuche Ende April 2019 befinden sich die teilnehmenden Teil B-Gewinnerkommunen nun in der aktuellen Phase – und arbeiten an der Entwicklung einer eigenen Digitalisierungsstrategie. Dabei lassen sich die Digitalisierungsvorhaben in folgende Themenfelder einteilen: Verwaltung, Apps, Wirtschaft, Mobilität, Partizipation und Bildung. Auf Basis der Erkenntnisse der Peer-to-Peer-Workshops wird hauptsächlich das Themenfeld Verwaltung mit 65 Prozent fokussiert, gefolgt von Mobilität mit 16 Prozent. Alle weiteren Themenbereiche bewegen sich jeweils zwischen drei und sieben Prozent. Für die Verschiebung der Maßnahmenschwerpunkte in den Themenfeldern verweisen wir auf unser Informationsblatt. In einigen Kommunen wurden Bürgerinnen und Bürger bei der Entwicklung der Digitalstrategie miteinbezogen. So sieht zum Beispiel die Strategie »digital.freiburg« vor ihre Einwohnerinnen und Einwohner in Umfragen, Workshops, Konferenzen oder Online-Beteiligung partizipieren zu lassen, um eine gemeinsame Digitalisierungsstrategie aktuell zu halten. Da die Digitalisierung in alle Bereiche des städtischen Lebens vordringt, sollte der Prozess schwerpunktmäßig Bottom-Up ausgerichtet werden, denn die Kommunen sind Dreh- und Angelpunkt des öffentlichen Lebens.

Unterstützung beim Strategieprozess können die Kommunen aber nicht nur von ihren Bürgerinnen und Bürgern, sondern auch vom Fraunhofer IAO erarbeiteten Digitalen Kochbuch erhalten. Dieses wird im nächsten Beitrag dieser Reihe vorgestellt. Wie fertige Digitalisierungsstrategien aussehen können, lässt sich bis dahin unter hier nachlesen.

Kontakt

Frau Fatma Tek
E-Mail-Adresse: Fatma.Tek (@) iao.fraunhofer.de
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